Klima-Review 03

Deutschland gletscherfrei in 10 Jahren

Was bisher für 2050 prognostiziert wurde, wird wohl schon 2030 Realität sein. An der Zugspitze und in den Berchtesgadener Alpen gibt es noch fünf Gletscher. Sie haben in den vergangenen 10 Jahren zwei Drittel ihres Volumens verloren.

Gletscherschmelze im Turbo

Die weltweit ca. 220.000 Gletscher verlieren zur Zeit etwa 298 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr. In den letzten 20 Jahren war das so viel Eis wie Grönland und die Antarktis im selben Zeitraum verloren haben. In diesem Zeitraum verdoppelte sich die Geschwindigkeit des Eisverlusts. Die Gletscherschmelze ist für 21 Prozent des Meeresspiegelanstiegs ursächlich.

Grönland auf der Kippe

Der grönlandische Eisschild gehört zu den Kipp-Elementen im globalen Klimasystem. Die Anzeichen mehren sich, dass er bald unumkehrbar schrumpfen könnte. Die jährlichen Schwankungen von Eiszuwachs und Eisschmelze in Westgrönland sind nicht mehr im Gleichgewicht. Je niedriger der Eisschild durch Abschmelzen wird, desto wärmer ist es in diesen niedrigeren Lagen, so dass er weiter abschmilzt. Ab einem bestimmten Punkt wird dieses Abschmelzen unumkehrbar, womöglich schon bei 1,6° C globaler Klimaerwärmung. Dann schmilzt Grönland komplett ab und erhöht den weltweiten Meeresspiegel um etwa 7 Meter. Das betrifft mehrere Milliarden Menschen, die küstennah leben. Außerdem kann es die Nordatlantische Umwälzströmung zum Erliegen bringen, was uns eine Zwischeneiszeit mit Hungersnöten bescheren könnte.

Antarktis: Eisschmelze und Festland-Aufstieg lässt Meere weltweit steigen

Je mehr Eis in der Antarktis schmilzt, desto leichter wird die Last, die den Festlandsockel der Antarktis bisher noch nach unten drückt. Neuen Berechnungen zufolge wird der Aufstieg des Kontinentalsockels den Anstieg des weltweiten Meeresspiegels durch Schmelzwasser der Antarktis um etwa 30 % höher ausfallen lassen. Bereits bis zum Jahr 2100 könnte der Meeresspiegel durch die antarktische Eisschmelze und Landhebung um über 70 cm steigen.

Bisherige Klimaschutzmaßnahmen zielen auf 2,4° C Erderwärmung

Wenn die derzeitig geplanten, weltweiten Klimaschutz-Versprechungen zu 100 Prozent umgesetzt würden, würde die weltweite Klimaerwärmung das 1,5°-Ziel deutlich verfehlen und bis zum Jahr 2100 2,4° C erreichen. Die bereits in Kraft getretenen Klimaschutz-Maßnahmen – ohne weitere Verschärfungen – führen zu einer Erwärmung um 2,9° C. Nur mit weit reichenden Maßnahmen ließe sich die Erderwärmung auf 2° C begrenzen. Solche Maßnahmen hat derzeit kein einziges Land geplant oder gar umgesetzt.

Deutschland bis 2045 klimaneutral?

Nach der Watsche des Bundesverfassungsgerichts für das bisherige Klimaschutzgesetz der Bundesregierung gelobt Schwarz-Rot, Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen. Bereits 2030 soll das Ziel zu 65 Prozent erreicht werden, 2040 sollen es 88 Prozent sein. Von 2020 auf 2030 wird als Reduktionsziel vorgegeben:

  • Energiewirtschaft: Ausstoß von Kohlendioxid-Äquivalenten auf 62,5 % reduzieren
  • Industrie: von 100 auf 75 % reduzieren
  • Verkehr: von 100 auf 63,3 % reduzieren
  • Gebäude: von 100 auf 59,3 % reduzieren
  • Landwirtschaft: von 100 auf 82,9 % reduzieren
  • Abfallwirtschaft und Sonstiges: von 100 auf 55,6 % reduzieren

Wie auch immer sie das schaffen wollen, der Endkunde wird es zahlen müssen – oder wegen zu hoher Preise von der Konsumption ausgeschlossen werden: Fahrrad und Bus statt Auto, Arbeitslosigkeit statt Pendeln, Frieren im Winter, Verdrängung aufgrund zu hoher Mietpreise.

Kenias Tee-Produktion vor dem Hitzeinfarkt

Der größte Tee-Exporteur der Welt muss – durch den Klimawandel bedingt – steigende Temperaturen, veränderte Niederschläge, Dürren und Insekten-Plagen fürchten. Bis 2050 werden voraussichtlich 26,2 Prozent von Kenias besten Tee-Anbaugebieten zerstört sein. Fast 40 Prozent seiner Anbaugebiete mittlerer Qualität werden ebenfalls nicht mehr nutzbar sein. In den nächsten 20 Jahren ist mit dem Tee die Lebensgrundlage von über 3 Millionen Menschen in Kenia bedroht. Afrika ist Heimat von 17 Prozent der Weltbevölkerung, trägt nur 4 Prozent an Treibhausgas-Emissionen bei, wird aber besonders schwer von der anthropogenen Klimaerwärmung betroffen.

Klimawandel zerstört älteste Felszeichnungen der Welt

Auf der indonesischen Insel Sulawesi haben Vertreter unserer Gattung Homo sapiens vor über 45.500 Jahren Höhlenzeichnungen von Säugetieren und Mensch-Tier-Wesen angefertigt. Es sind die ältesten bekannten Kunstwerke unserer Spezies. Mit steigenden Temperaturen verwittern sie schneller, weil viel mehr Wasser verdunstet und erhitztes Salz sich stark ausdehnt. Salz tritt aus den Felsen aus, und mit ihm flockt die Farbe der Kunstwerke ab. Oder Salz kristallisiert unter der Oberfläche und sprengt sie ab. Manche Felsoberflächen vertrocknen und zerfallen zu Staub. Der Klimawandel wird in den Tropen dreimal so stark gespürt wie anderswo auf der Welt. 45.000 Jahre alte Kunst, die erst vor wenigen Jahrzehnten wieder entdeckt wurde und immer noch neu entdeckt wird, hat so lange alle natürlichen Klimaschwankungen überdauert, nur um jetzt vor unseren Augen zu vergehen. Dafür genügen bereits die bisherigen 1,2° C Klimaerwärmung.

Reisernte im Hitzestress

Bereits jetzt kann es für manche Reissorten zu heiß werden. In Bangladesh haben Anfang April nur zwei Tage Hitze über 36° C bis zu 200.000 Tonnen Boro-Reis vernichtet. Das lässt nichts Gutes für die Zukunft erwarten.

Ölindustrie propagiert persönliche Einschränkungen, um gegen den Klimawandel zu kämpfen

Der Glaube, dass der individuelle Konsum für den Klimawandel verantwortlich sei, wird von Ölriesen wie ExxonMobil und BP befeuert. BP prägte 2004 z.B. den Begriff „carbon footprint“. Schuld und Verantwortung für den Klimawandel werden dadurch den Konsumenten aufgebürdet. Obwohl sie nahezu keinerlei Mitspracherecht bei strategischer Ausrichtung der Energiewirtschaft, bei globaler Förderung, Lieferketten und – mangels Alternativen – Produktauswahl haben.

Geoengineering scheint unausweichlich

Da die Reduktion von Treibhausgasen höchstwahrscheinlich nicht rechtzeitig im nötigen Maß erreicht wird, werden kommende Generationen wohl auf Geoengineering setzen. Dazu gibt es viele Ideen. Allesamt mit Risiken und Nebenwirkungen.

  • Solange es noch Eis in der Antarktis gibt, könnten von dort Eisberge in heiße Gegenden gebracht werden, um als große Eiswürfel für Kühlung zu sorgen.
  • In der Stratosphäre könnten Chemikalien oder Partikel das Sonnenlicht abschirmen.
  • CO2 könnte zu Pellets gepresst oder unterirdisch gelagert werden.
  • Wiederaufforstung ist sicherlich die umweltfreundlichste Geoengineering-Technik, konkurriert aber mit landwirtschaftlichen Nutzflächen.
  • Bio-Treibstoffe als temporäre CO2-Speicher würden erst effektiv gegen den Klimawandel werden, wenn sie die doppelte Landfläche Indiens belegen würden. Bodendegradation und ein enormer Wasserbedarf kämen auf der Negativseite hinzu.
  • Ozeandüngung mit Eisensulfat könnte das Algen-Wachstum ankurbeln und dadurch CO2 speichern. Aber wenn Algen sterben, wird Sauerstoff gebunden, was bereits jetzt zu toten Gebieten in den Ozeanen führt. Außerdem wird Plankton verdrängt, entfällt also als weiterer Kohlenstoffspeicher, und stark vermehrte Kleintiere in den Algen stoßen mehr CO2 aus.
  • Künstliche Verwitterung durch Bestreuen felsiger Landschaften mit dem Eisensilikat Olivin kann CO2 binden, Olivin ist aber teuer und selten.
  • Bio-Holzkohle aus Pflanzenabfällen könnte CO2 speichern und zugleich als Dünger verwendet werden.